Kork oder Kappe?
Der K(r)ampf mit dem Verschluss von Weinflaschen
Die Verschluss-Debatte wird leidenschaftlich wie ein Glaubenskrieg geführt. Das Gefolge der Korkindustrie wünscht jedem Kritiker die Pest an den Hals und die Korkgegner beschimpfen die Korkindustrie als üble Mafia die aus Profitgier eine veraltete und fehltonverursachende Flaschenverschlussmethode verteidigt. Wie das so ist in Glaubenskriegen hat jede Seite Recht und auch wieder nicht. Vergessen sollte man bei dem ganzen Hin und Her nicht, dass 90% aller Weine binnen zwei Jahren getrunken werde. Für diese Zeitspanne ist eigentlich jeder Flaschen-Verschluss geeignet. In Australien, Neuseeland und den USA werden inzwischen zu 90% Schraubverschlüsse eingesetzt. Diskutiert wird eigentlich immer nur über die restlichen 10%.
Das Argument gegen den Kork ist klar: Das Naturprodukt (aus der Rinde der Korkeiche) muss gereinigt und keimfrei gemacht werden. Und darin liegt das Problem: die Reinigung erfolgt mit Chlor, der hinterher wieder entfernt werden muss. Bleiben auch nur geringe Mengen davon im Kork zurück kommt es zu einer Reaktion mit dem Alkohol und ein „Korkschmecker“ entsteht. Dieser Effekt kann sich, im mildesten Fall, durch Schwächung der Fruchtaromen und ein Fehlen der „Lebendigkeit“ im Geschmack bemerkbar machen und geht im schlimmsten Falle bis zu einem Geruch, der an einen im Keller vergessenen durchweichten Karton erinnert und zum typischen vordringlichen, alles übertönenden Korkgeschmack. Das nicht wegzudiskutierende Problem mit Kork ist, trotz aller Fortschritte in der Qualitätsverbesserung von Korken, dass ein gewisser Prozentsatz zu mehr oder minder starker Geschmacksbeeinträchtigung führen. Ein Problem dabei ist, dass man den schwachen Korkfehler einer Flasche möglicherweise nicht als solchen erkennt und man deshalb Wein, Jahrgang und/oder Weingut fälschlicherweise als qualitativ minderwertig einstuft. Wohlgemerkt: auch bei alternativen Verschlüssen treten „Fehltöne“ auf. Das kann von in der Kellerei verwendeten Chlor- und Bromverbindungen, z. B. chlorhaltigen Reinigungsmittel, bromhaltige Dichtungen, Holzschutzmitteln kommen.
Es gibt viele Argument für alternative Verschlüsse. Champagner z. B. verbringt seine ganze Reifezeit (15 Monate bis zu 20 Jahre) in mit Kronkorken verschlossenen Flaschen. Der Korken kommt erst nach dem Verkaufsfertigmachen auf die Flasche. Für langlebige Weine gibt es Schraubverschlüsse die ein Plättchen aus Reinzinn als Dichtfläche benutzen. (Es gibt also keine Kunststoffdichtung von der Weichmacher auswandern und den Flascheninhalt verderben können). Auch das Preisargument ist eindeutig: ein Aluminium-Schraubverschluss kostet 7 bis 11 Cent, ein Korken je nach Qualität 10 Cent bis zu einem Euro.
Ja aber, argumentieren die „Korkfreunde“, große Weine die reifen sollen brauchen den Korken der mikroskopische Sauerstoffmengen eindringen und den Wein bis zur Trinkreife altern lässt. Und ob die Drehverschlüsse auch nach jahrzehntelanger Lagerung noch dicht sind weiß niemand. Dem halten die Korkgegner entgegen: Tests z. B. bei Penfold und Chateau Margaux haben ergeben, dass der Inhalt von Flaschen mit Drehverschluss zwar langsamer reift aber auch untereinander einheitlicher ist. Es gibt auch genügend Indizien dafür, dass der Sauerstoff aus dem Luftvolumen zwischen Pegel und Verschluss völlig dafür ausreicht die gewünschte Reifung zu erzielen. Ausserdem sind klassische Rotweine, die früher zehn und mehr Jahre Reifezeit in der Flasche brauchten, heute durch die Technik der Mikrooxygenierung schon nach sehr viel weniger Jahren trinkreif.
Wer hat recht? Ich weiß es nicht. Gesicherte Erkenntnisse aus Langzeitversuchen mit Schraub- oder Glasverschlüssen gibt es nicht. Tatsache ist aber, dass „leckende“ Korken, die Luft in die Flaschen gelangen lassen, sehr schnell zum vorzeitigen Dahinscheiden des Inhalts führen. Deshalb werden auch bei vielen hochwertigen und besonders langlebigen Weinen Flaschenhals und Kork mit Siegellack versiegelt.
Nicht diskutierbar sind die emotionalen Argumente: Ich kann mir schon vorstellen, dass man das sanfte „Plopp“ eines aus dem Flaschenhals gleitenden Korkens eher als sinnliches Ritual empfindet als das harte „Ratsch“ beim Aufdrehen eines Schraubverschlusses. Obwohl für mich das Sinnliche eher im Genuss des Flascheninhalts besteht.